Riesenhai Megalodon: So sah der Urzeit-Gigant wirklich aus (2024)

Riesenhai Megalodon: So sah der Urzeit-Gigant wirklich aus (1)

von Rainer Harf

5 Min.

Er ist ein Superstar der Urzeit: Vor Jahrmillionen schwamm Megalodon durch die Weltmeere und machte Jagd auf große Wale. Doch wie sah der Riesenhai aus? Eine neue Studie gibt Hinweise, dass der Gigant eleganter daherkam als bislang gedacht

Jahrmillionenlang war er der Schrecken der Meere. Und auch heute noch macht er Furore: als Ikone der Urzeit. Als Monster in Actionkrachern wie "Meg". Als üppig koloriertes Gruselspielzeug samt aufklappbarem Maul. Wohl kein anderes Meereswesen aus ferner Vergangenheit hat es zu mehr Berühmtheit gebracht. "Megalodon ist so etwas wie der T-Rex der Haie," sagt die Paläobiologin Julia Türtscher vom Institut für Paläontologie der Universität Wien. Und doch gibt der fossile Superstar der Wissenschaft Rätsel auf. Wie genau sah der gigantische Raubfisch eigentlich aus? Welche Form hatten sein Kopf, die Flossen, ja, der gesamte Körper?

Zwar sind weltweit zahlreiche Zähne von Otodus megalodon gefunden worden – furchterregende Hauer von teils mehr als 18 Zentimetern Länge, dreieckig, scharfkantig, mit Sägerand. Auch Hautschuppen und Wirbelknochen haben Forschende aufgestöbert. Doch ein vollständig erhaltenes Fossil des riesigen Urzeithais harrt noch seiner Entdeckung.

Um die Gestalt von Megalodon zu rekonstruieren, orientierten sich Paläontolog*innen daher bislang vor allem an der Anatomie des größten heute noch lebenden Spitzenprädators unter den Haien: am Weißen Hai (Carcharodon carcharias), mit seinen bis zu sechs Metern Länge und der massig-muskulösen Statur ein beeindruckender Brocken, der Jagd auf Robben, Thunfische und kleinere Wale macht. Der allerdings gegenüber seinem Urzeitvetter recht bescheiden daherkommt. Denn Megalodon konnte wohl mehr als zweieinhalb Mal so lang werden – vielleicht sogar bis zu 20 Meter. In seinem aufgerissenen Maul hätte ein Mensch stehen können. Da man zur Rekonstruktion klassischerweise die Körperform von Carcharodon heranzieht, sieht der ausgestorbene Koloss auf den meisten wissenschaftlichen Illustrationen aus wie ein ins Riesenhafte vergrößerter Weißer Hai.

Ein großes Team von Forschenden schlägt eine neue Körperform für Megalodon vor

Nun hat ein internationales Team aus 27 Haiexperten, zu denen auch Julia Türtscher gehört, die Anatomie von Megalodon einer weiteren Analyse unterzogen – und eine neue Hypothese aufgestellt, publiziert im Fachmagazin Palaeontologia Electronica. Danach fällt der Riesenhai deutlich schlanker aus als der Weiße Hai. Immer noch gigantisch, klar. Doch man könnte sagen: ein wenig eleganter (siehe Abbildung der Silhouetten).

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Zu ihrer Annahme angeregt wurden die Forschenden durch zwei andere Studien. Darin hatten Paläontologen aus den Überresten eines Tieres aus Belgien – insgesamt 141 fossile Wirbel – auf dessen Gesamtlänge geschlossen und waren dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die Autoren der ersten Studie, die bereits 1996 erschien, hatten für das Exemplar eine Länge von 9,2 Metern postuliert. Dafür machten sie sich ein bestimmtes Verhältnis zunutze, aufgrund dessen man beim Weißen Hai vom dicksten Wirbelknochen auf die Gesamtlänge des jeweiligen Fisches schließen kann. Diese "Körperformel" wandten die Wissenschaftler dann auf den stärksten jener jahrmillionenalten Megalodon-Wirbel an – und errechneten die gut neun Meter.

In einer 2022 erschienenen Studie wiederum kamen Forschende zu einem ganz anderen Schluss: Als sie die versteinerten Wirbel desselben Individuums aneinanderreihten, fiel ihnen auf, dass es sich keinesfalls um eine vollständig erhaltene Wirbelsäule handelte. Allein das Rückgrat des Tieres aus Belgien muss mehr als elf Meter gemessen haben, die Gesamtlänge des Hais betrug der zweiten Untersuchung zufolge sogar schätzungsweise knapp 16 Meter.

Megalodon war wahrscheinlich – wie der Weiße Hai auch – ein Warmblüter

Dass die Wirbelsäule so viel länger und damit im Verhältnis zum ganzen Körper zierlicher ausfiel, deutet laut den Autoren der aktuellen Studie darauf hin, dass sich Megalodon im Hinblick auf seine Statur von der charakteristischen Körperform eines Weißen Hais unterschieden haben muss. Wahrscheinlich war Megalodon nicht ganz so bullig, sondern in seiner Gesamterscheinung etwas schmaler. "Wir sind zudem sicher, dass die beiden Spezies gar nicht mal nah miteinander verwandt sind," sagt der Paläobiologe und Mitautor Jürgen Kriwet von der Universität Wien.

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In einer Eigenschaft, darin sind sich die Forschenden einig, ähnelte Megalodon dem Weißen Hai allerdings doch: Auch der Urzeitriese war aller Wahrscheinlichkeit nach fakultativ warmblütig. Anders als die meisten Fische heizen einige Topräuber der Ozeane, zum Beispiel auch Thunfische, ihre Körper aktiv auf, was sie unter anderem befähigt, mit höherem Tempo durch die Fluten zu schießen – Gas zu geben, wenn Beute in Sicht ist. So kann der Weiße Hai auf bis zu 60 km/h beschleunigen.

"Megalodon war aber wahrscheinlich nicht ganz so schnell unterwegs," sagt Jürgen Kriwet. Das lässt sich an Placoidschuppen (auch Hautzähne genannt) erkennen: Strukturen, die für die Hydrodynamik – und damit dem Widerstand, den das Wasser einem Körper entgegensetzt – eine wichtige Rolle spielen. Je nachdem, mit welchem Tempo ein Hai umherschwimmt, sind die Zähnchen anders geformt.

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"Um seine Beute, große Wale, zu erwischen, musste Megalodon wohl nicht so stark beschleunigen, denn die Meeressäuger waren sicher auch nicht so wendig" sagt Kriwet. "Hinsichtlich der Warmblütigkeit war die Geschwindigkeit vermutlich gar nicht der Hauptfaktor, sondern die damit verbundene Fähigkeit einer weit effektiveren Verdauung." Und fressen, verdauen und so an eine Menge Energie gelangen, das war für den Giganten entscheidend – schließlich musste er seine Körpermasse von schätzungsweise bis zu mehr als 50 Tonnen ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Dass Megalodon vorzugsweise Walen nachstellte, davon zeugen typische Zahn- und Bissspuren, die Forschende in fossilen Flossen und Wirbel der Meeressäuger entdeckt haben.

Möglich, dass sich der Riese in einem evolutionären Wettrüsten mit Walen entwickelt hat

Das Aufkommen einer großen Artenvielfalt von Walen zu Beginn des Miozäns – vor rund 20 Millionen Jahren – war womöglich auch der Grund, weshalb die Vorfahren des Riesenhais überhaupt immer und immer größer wurden und schließlich die Spezies Megalodon das Licht der Welt erblickte. Wissenschaftler sprechen in dem Zusammenhang von Gigantismus – ein Phänomen, das bekanntermaßen auch die Welt der Dinosaurier prägte. Räuber und Beute liefern sich gleichsam ein evolutionäres Wettrennen um Größe.

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Wohl mehr als 15 Millionen Jahre schwamm Megalodon durch die Ozeane dieser Welt. Doch warum starb der Koloss vor etwa 3,6 Millionen Jahren aus? Noch ist die Ursache für sein Verschwinden nicht geklärt. Vielleicht schränkte kühler werdendes Klima das Verbreitungsgebiet des Riesen mehr und mehr ein. Vielleicht aber, so die derzeit gängigste Theorie, war es ein Konkurrenzkampf, den Megalodon verlor. Und zwar just mit jener Spezies, die bislang so oft als Vorbild für seinen Körperbau diente: dem Weißen Hai, der sich ungefähr zu jener Zeit entwickelte und erfolgreich in den Weltmeeren ausbreitete. Auch wenn Carcharodon jedem erwachsenen Megalodon in punkto Größe bei Weitem unterlag, war er womöglich in punkto Jagd den Jungtieren überlegen und konnte sich so – als deren Rivale – mit der Zeit durchsetzen.

Noch liegt viel rund um den Urzeitstar im Reich der Spekulationen. "Es wäre ein Traum, wenn irgendwann ein vollständigeres Skelett von Megalodon gefunden würde – mitsamt dem Kiefer und den Flossen," sagt Julia Türtscher. "Dann ließe sich weit mehr über die Anatomie und wahrscheinlich auch die Lebensweise dieses faszinierenden Hais herausfinden."

Wo könnte ein solches Fossil im Gestein schlummern? Peru mit seinen hervorragenden Lagerstätten sei ein heißer Kandidat, meint Julia Türtscher. Vielleicht tauchen ja tatsächlich dort die ersehnten Überreste auf. Sodass es gelingt, weitere Geheimnisse um den Schrecken der Urmeere zu lüften.

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